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Inszenierung lokaler Themen über die Kanäle Homepage, Zeitung und soziale Netzwerke

Crossmediales Arbeiten kann so einfach sein. Man nehme ein klassisches lokales Thema, wie es in jeder Stadt aufpoppen könnte: Das Programm-Kino muss in neue Räumlichkeiten umziehen. Zwei stehen zur Auswahl. Am Montag ist klar, Mittwochabend entscheiden die Mitglieder des Trägervereins, wo das neue Domizil entsteht.

Berichterstattung vor der digitalen Zeitenwende: Entscheidung abwarten, Entscheidung verkünden. Zitate der jeweiligen Befürworter der einen oder anderen Alternative sorgen für die Spannung im Text.

Berichterstattung im Web 2.0: Ein kurzer Text kündigt die Entscheidung auf der Homepage des Mediums an und verbindet dies mit einer Umfrage, die die Präferenz der Besucher abfragt. Via Twitter und Facebook wird die Umfrage beworben und geteilt. Zur Umfrgae finden sich weitere Links auf frühere Texte aus dem Archiv, die das Thema ausführlich besprechen.

Am Dienstag stehen in der Zeitung der Hinweise auf die Entscheidung und auf die Umfrage sowie auf das Video, das gegen Mittag online gestellt wird, in dem die beiden potenziellen Heimstetten des Kinos von ihren jeweiligen Befürworten präsentiert wird. Die Videos verweisen auf die Umfrage, auf die Entscheidung am nächsten Tag sowie auf die Liveberichterstattung auf Facebook, Twitter und der Homepage des Mediums. Am Abend wird auf der Homepage sowie am nächsten Tag in der Zeitung ein Zwischenstand der Abstimmung präsentiert.

Tag der Entscheidung: Die Reaktionen in den sozialen Netzwerken wird in einem Artikel für die Homepage zusammengefasst und in den sozialen Netzen geteilt. Am Abend berichtet ein Reporter die Entscheidung sowie die wichtigsten Argumente der Mitglieder des Kino-Trägervereins live. Natürlich auf Twitter, Facebook und der Webseite des Mediums. Ein ausführlicher Text fasst für die Zeitungsausgabe des nächsten Tages die wichtigsten Infos der kompletten Berichterstattung zusammen. Alle Inhalte werden in Form eines Dossiers auf einer Sonderseite im Internet zusammengefasst und unter einer eigenen URL präsentiert. Diese URL dient zugleich in der Zeitung als Online-Tipp.

Die Leser-Kommentare auf der Homepage des Mediums und in den sozialen Netzen werden zu einem „Nachdreher“ zusammengefasst, woraus sich gegebenenfalls neue Aspekte des Themas entwickeln … Sollte das so sein, geht die Geschichte einfach weiter, und weiter, und weiter …

Ressourcen: Was sollen wir denn noch alles machen? Für den themenführenden Reporter hält sich der Aufwand in sehr überschaubaren Grenzen. Er schreibt Teaser, seinen üblichen Text, fasst die Ergebnisse zusammen und teilt seine Berichte in den sozialen Netzwerken. Für die Umfrage und das Video erhält er Unterstützung aus der Digital-Redaktion, wobei das audiovisuelle Format mit drei Stunden Produktionszeit die meisten Ressourcen in Anspruch nimmt. Das Anlegen und Auswerten der Umfrage benötigt etwa 15 Minuten.

Das Geheimnis der ressourcenschonenden Publikation ist eine genaue Planung am Anfang des Prozesses. Alle Beteiligten klären bereits vor dem Wochenende möglichst präzise, was wann passiert. Welches Format wird auf welchen Kanälen von wem bespielt? Sowohl das Thema als auch ein Publikationsplan, der das Besprochene für alle transparent protokolliert, wird in einem geeigneten Planungsprogramm notiert.

Wozu das alles? Leser und Besucher des Mediums nehmen von Beginn an an der Berichterstattung teil, sie werden durch das Thema begleitet, erhalten Interaktionsangebote und Anreize, das Medium mehrfach zu besuchen (Leserbindung/Visits). Die Berichterstattung erfolgt in verständlichen Portionen, wobei die Reporter immer wieder neu die Möglichkeit haben, auf Entwicklungen zu reagieren. Die Gefahr, wichtige Aspekte des Themas außer Acht zu alssen, sinkt durch die Einbindung der Community.

10 Regeln für crossemdiales Publizieren

Ja, gut: Zweiquellen-Recherche, sauber zitieren, W-Fragen beantworten – das gehört zum Handwerk jeden Reporters. Mit der Digitalisiserung von Informationen und der damit verbunden Medienvielfalt sind noch ein paar Regeln dazu gekommen.

Auch auf die Gefahr hin, offene Türen einzurennen, habe ich sie nachfolgend mal zusammengefasst. Wer Ergänzungen hat oder denkt, das sei der totale Schwachsinn, dem steht das Kommentarfeld gerne offen … allen anderen natürlich auch.

1. Themen frühzeitig crossmedial planen – Wer mehere Medien und Medienformate bedienen muss, braucht für seine Geschichte mehr Zeit. Ein paar Telefonate, vielleicht Fotograf rausschicken, 80 Zeilen schreiben, und fertig ist der Lack, ist vorbei. Deswegen: Planung!

2. Frühzeitig überlegen, welche Publikationsformate sich anbieten: Text, Bild, Fotostrecken, O-Töne, O-Dokumente, Video, Liveticker, Grafik, interaktive Grafik, Posting in den sozialen Netzwerken … und sicher fallen uns noch ein paar ein. Aber keine Sorge. Die Regel, wer die Idee hat, muss sie auch umsetzen, gilt hier nicht mehr. Dafür gilt Regel 3!

3. Unterstützung einholen hinsichtlich der verschiedenen Formate. Wer crossmedial arbeitet, arbeitet in Teams. Selbst für die Erstellung von Fotostrecken reicht es nicht mehr aus, ein paar Fotos mehr zu machen. Fotostrecken sollten viele Menschen zeigen oder Fotoreportagen-Charakter haben. Und auch das schnelle Video mit dem iPhone mag für Facebook ausreichen – ein gutes Youtube-Video benötigt den Spezialisten.

4. Das eigene soziale Netzwerk in die Recherche und bei der Publikation einbeziehen. Viele Themen werden in den sozialen Medien bereits diskutiert, ehe wir Journalisten davon Wind bekommen. Auf der Suche nach Recherchetipps, Experten und Augenzeugenberichten helfen die sozialen Netzwerke oft weiter. Und sei es, dass man den Hinweis bekommt, dass die Story nur halb so neu ist wie man dachte.

5. Prüfen, ob es zu dem aktuellen Thema Archivmaterial gibt und dieses gegebenenfalls in die Recherche und Berichterstattung einbeziehen. Da das Netz bekanntlich nix vergisst, lohnt der Blick ins Archiv allemal. Jede Geschichte hat zumeist eine Vorgeschichte, auf die man sich beziehen kann. Außerdem ist es ein guter Service für Leser, die sich vielleicht über die 100 Zeilen hinaus für das Thema interessieren.

6. Internet-Recherche – liegt zwar auf der Hand, wird aber auch gerne vergessen. Wer mit Google-Operatoren umgehen kann, hat mit der Suchmaschine eine exzellente Recherchequelle.

7. Thema gut teasern. Wer gelesen werden will, muss um Aufmerksamkeit buhlen. Ein schmackhafter Teaser, der nicht satt macht, animiert zum Weiterlesen. Ein Teaser, der grob die Regeln der Suchmaschinenoptimierung beachtet, wird noch dazu im Netz gefunden.

8. Aussagekräftige Überschriften schreiben. Zwei Zeilen Anreißer, ein Thumbnail und die Überschrift müssen genügen, um die Aufmerksamkeit eines Lesers, der eigentlich gar nicht lesen will, zu erhaschen. Deswegen sollte in der Ü-Schrift stehen, worum es im Text geht. Hinsichtlich Suchmaschinenoptimierung gilt dasselbe wie für den Teaser.

9. Kommentare und Reaktionen aus den sozialen Netzwerken und auf der eigenen Webseite lesen, beantworten und ggf. überlegen, ob sich daraus weitere Geschichten oder gar eine ganze Serie ergeben.

10. Metadaten verwenden! Einerlei ob Bild, Text, Video oder Grafik – Informationen müssen auch Informationen über sich selbst mitführen: Geo-Daten, Schlagwörter, Personen und Organisationen im Text sollten als Metadaten mitgegeben werden. Das erleichtert unter anderem das Finden der Infos bei mobilen Applikationen, das Zusammenführen verwandter Themen und hilft dem Nutzer, weitere Infos zu finden.

Also, das sind jetzt mal 10 Regeln … was gibt’s noch?

Vom Reporter zum Themen-Manager

Mit dem Ende ihrer klassischen Gatekeeper-Rolle in den digitalen Medien suchen Journalisten nach einer Neu-Definition ihrer Position in der Gesellschaft. Einigkeit besteht darüber, dass sie nicht mehr die Türsteher sind, die darüber entscheiden, welche Nachricht ans Licht der Öffentlichkeit gelangt und welche nicht.

Mit den digitalen Medien hat jeder potientiell die Möglichkeit, selbst die Informationsquellen anzuzapfen, Nachrichten zu verbreiten oder Informationsquelle zu werden. Journalisten sind damit in einen dynamischen Kommunikationsprozess eingebettet, in dem sich ihre Geschichten weiterentwickeln, selbst Quellen der Information, öffentlich diskutiert oder von anderen ergänzt werden.

Die Aufgaben des Journalisten sind dadurch vielfältiger geworden. Während ein Zeitungsreporter einst seine Geschichte alleine recherchiert, maximal einen Fotografen beauftragt und anschließend seine Geschichte abdruckt, ist dies jetzt nurmehr ein Teil seiner Aufgaben.

Jetzt hat seine Geschichte eine Vorgeschichte, die jeder im Netz finden kann, der befragte Experte schreibt selbst einen Blog, dazu gibt es bereits Diskussionen, die neue Geschichte wiederum wird diskutiert und im Internet geteilt und so weiter und sofort.

Hinzu kommt, dass seine Geschichten zwar auf allen Kanälen gespielt werden sollen. Er aber selbst nicht alle Formate beherrscht, um alle Kanäle adäquat zu bedienen. Heißt: Er muss stärker teamorientiert denken. Wen benötige ich, damit ich die Geschichte für alle Kanäle sinnvoll erzählen kann? Datenjournalisten? Grafiker? Videoreporter? Community-Manager? Und einen Fotografen?

Als Beschreibung seiner öffentlichen Rolle halte ich die den Wechsel vom Gatekeeper zum Moderator für eine sinnvolle Beschreibung. Für den Journalisten selbst, in seiner täglichen Arbeit aber ist der Bergiff Moderator unpassend.

Ich denke, der Journalist sollte sich zum Themen-Manager entwickeln. Er muss in seinem Alltag nicht mehr nur noch Themen aufspüren und sie publizieren; er muss Themen managen können. Der Begriff „Themen-Manager“ umreißt seine Tätigkeiten von der Recherche, über die Team-Orga, die Produktion seiner Story, bis zu deren Veröffentlichung und der nachfolgenden Diskussion zu dem Thema im Internet.

Fotostrecken schließen guten Jornalismus nicht aus

Muss ich mich dafür entschuldigen, dass wir mit Diaserien 30 Millionen Seitenaufrufe generieren? Fast kommt es mir so vor, als schämte sich eine ganze Branche dafür, dem Wunsch der Online-User nachzukommen, sich selbst auf Bildern im Netz zu sehen. Erst kürzlich entschuldigte sich ein Kollege dafür, ausnahmsweise – weil Fasching ist – mal wieder jede Menge Diaserien ins Netz zu stellen. Sonst machen wir online ja ernsthaften Journalismus, schwang im Subtext der Äußerung mit.

Ein Kollege ergänzte: „Wir machen kaum noch Diaserien“, betonte er stolz. Gleichzeitig schauen wir bewundernt auf jene Online-Redaktonen, die mit Suchmaschinenoptimierung etliche unterschiedliche Besucher aus ganz Deutschland auf ihre regionales Angebot ziehen. Journalistisch wertvoll? Wohl kaum, hier geht es um Vermarktung, was okay ist, sofern man darauf setzt, immer mal wieder einzelne Besucher, die sich normalerweise nie auf dem eigenen Webangebot tummeln, an Land zu ziehen.
Ich setze darauf, mit dem Webangebot für die Menschen aus der Region attraktiv zu sein. Und dazu gehören Bilder von den Veranstaltungen zwischen Fasching, Weinfest und Stadtmarathon dazu. Damit gewinnen wir keine Journalistenpreise, wohl wahr. Aber wir schaffen ein attraktives Umfeld, in dem guter Journalismus ein entsprechendes Publikum findet.
Apropos: Nehmen wir aus den Lokalteilen unserer Qualitätsmedien mal den User Generated Content und die Vereins- und Ehrungsbilder raus – ich weiß nicht, wie lange sich das die Leser gefallen liesen und wie lange wir noch Raum für guten Journalismus fänden.

Siehe auch hier: http://23thesen.tumblr.com/post/85009679697/17-fotostrecken-sind-vollig-unterschatzt

Sorry, musste ich einfach mal los werden!

Fotostrecke

So muss eine Zeitung sein: San Francisco Panorama

Es ist Quatsch zu glauben, nur wenn man den Vertriebskanal ändert, erreiche man bereits eine neue Zielgruppe. Das haben die 1990er-Jahre alle Zeitungsverlage bitter gelehrt. Wer den Slogan „Content is King“ ernst nimmt, muss sich fragen, warum verlieren traditionelle Medien an Reichweite! Wegen des Internets? Oder weil man den inhaltlichen Anforderungen, die ein moderner Mediennutzer an sein Info-Programm stellt, nicht mehr gewachsen ist? Das Internet ist nur daran schuld, dass die Qualitätsansprüche in die Höhe geschossen sind. Wer zu jeder Zeit alle vergleichen kann, vergleicht auch irgendwann seine liebgewonnen MenSanfranciscopanoramadiennutzungsgewohnheiten. Gelegenheit mach Liebe! Auch bei der Wahl des bevorzugten Mediums.

Wie eine moderne frische Zeitung aussehen kann, hat jetzt der Verlag McSweeney’s eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Nicht nur Format und optische Opulenz sprechen für das Papier. Vor allem die Themenmischung und die Art der Präsentation machen die Lektüre zum Genuss: Poster, Comics und Grafiken neben Kommentaren und klassischer Berichterstattung. Endlich Schluss mit der ewigen Wiederholung – 120 Zeilen Text, dreispaltiges Bild. Infotainment nannte man das mal, was „San Francisco Panorama“ uns präsentiert. Und zwar auf höchstem Niveau. Der Begriff Infotainment ist nur dewegen in Verruf geraten, weil die TV-Sender ein Des-Infotainment daraus gemacht haben.

Klar, eine Tageszeitung muss schnell und sauber produziert werden. Aber kann der Mix aus Info, Orientierung, Untergaltung, Bild und Grafik nicht neu definiert werden? Tolle Anregungen für alle Zeitungsmacher liefert McSweeney auf jeden Fall.